"Endlich einmal", denke ich. Endlich einmal hat da jemand einen Stoff aufgegriffen, der sich wirklich lohnt, denke ich als ich zu Tom Boudens Comicband "In Bed with David & Jonathan" greife.
Denn David und Jonathan sind für mich fest verortet in der Bibel, im Alten Testament. David und Jonathan, das ist, soweit ich weiss, das einzige schwule Liebespaar, das uns dort, im 1. Buch Samuel, begegnet. Immerhin.
David und Jonathan sind ziemlich kriegerische Typen, aber beide schlossen einen innigen Bund miteinander und hatten sich lieb wie ihr eigenes Herz. Und halten gegenüber Jonathans Vater zusammen, der David töten und sie so auseinanderbringen will. Mit dem Satz "Deine Liebe ist mir köstlicher gewesen als Frauenliebe ist", wird David zitiert. "Und sie küssten einander und sie weinten miteinander" als es ans Abschiednehmen geht. An anderer Stelle wird noch berichtet, dass David, der spätere König, bei einem Festmarsch zum angeblichen Entsetzen der Frauen nackt hinter der Bundeslade tanzte. Was für ein Kerl! Was für ein Paar! Was für eine Geschichte!
Ein Stoff also, der die Fantasie in äusserste Erregung versetzt und danach schreit, aufgegriffen und künstlerisch verarbeitet zu werden. Man mag sich gar nicht ausdenken, was daraus hätte werden können, wenn der homosexuelle, aber ungeoutete Thomas Mann sich dieser beiden Männer anstelle von "Joseph und seinen Brüdern" angenommen hätte.
Also, diesen Comic beherzt ergriffen und darin gestöbert - und was für eine Enttäuschung! Er hat rein gar nichts mit diesem prall mit Leben gefüllten Stoff aus der Bibel zu tun! Wieder einmal bin ich - und, ach!, wie oft schon - das Opfer falscher Erwartungen geworden!
David und Jonathan, die beiden Hauptfiguren sind hier einfach bloß zwei Typen, die eben nur zufällig so heissen. So wie sie eben auch Kevin und Alister oder Franziskus und Benedikt heissen könnten - nein, Benedict und Franziskus dann vielleicht doch nicht.
Ein hübsches Buch kann es ja trotzdem sein.
Und das ist es auch.
Die Erlebnisse von David und Jonathan sind locker eingestreut und folgen eher keinem strengen Aufbau: das Cruisen im nächtlichen Park, das zermürbende Warten auf einen Anruf, der nicht kommt, das nervöse Geklicke des Freundespaares im Internet auf der Suche nach einem Dritten. Immer aber landen David und Jonathan dann dort, wo der Titel es verspricht: im Bett nämlich, allein oder zu Dritt. Darauf liegt ganz klar der Schwerpunkt dieser Comics. Der belgische Zeichner Tom Bouden führt uns eine Vielzahl von Möglichkeiten vor, wie die beiden allein oder zu Dritt und am Schluss auch noch auf einem Wimmelbild mit ganz vielen anderen ihr Sexleben abwechslungsreich gestalten. Auf Sprechblasen wird bei den ausgedehnten Aufenthalten im Bett ganz verzichtet. "Freizügig" nett der Verlag die sehr konkreten Zeichnungen, "der ganz normale Wahnsinn" träfe es auch ganz gut. Ein Paar, welches das volle Programm der beiden Hauptfiguren hintereinander weg abarbeiten wollte, brauchte voraussichtlich mehrere Stunden dafür, wenn nicht gar Tage, jedenfalls aber einen langen Atem und eine gute Kondition.
Die Federführung des Zeichners ist sparsam und schnörkellos, im Stil von Tim und Struppi. Jede Linie muss da genau sitzen. Und das tut sie auch. So sind Bilder von schlichter, naiver Schönheit und natürlicher Deutlichkeit entstanden. Mir manchmal auch eine Spur zu deutlich. Etwas böse überspitzt gesagt: sollte es jemals ein Lehrbuch in 27 Kapiteln geben, was Schwule beim Sex so miteinander anstellen können, dann kämen einzelne Comics aus diesem Heft als Illustration dafür durchaus in Frage. Oder noch einmal anders gesagt: nach vielen Seiten teilweise akrobatischer Aktivitäten im Bett ist der Leser eigentlich ganz froh, die beiden mal wieder angezogen beim Frühstück sitzen zu sehen. Aber das ist in diesem Band schon eher die Ausnahme, versprochen. Es werden, political correct und deutlich sichtbar, immer Kondome benutzt. Barebacker kommen also weniger auf ihre Kosten und Leder- und Hardcorefreunde auch nicht.
David und Jonathan sind eher zwei Durchschnittstypen, die man sich gut als Verkäufer oder Accountants vorstellen kann. Die Jungs machen einen properen und frisch gewaschenen Eindruck. Das kommt schon ganz ansprechend rüber.
Es macht Spaß, in diesem Comicbuch zu blättern und sich in das Dargestellte zu vertiefen. Irgendeine pornografische Wirkung, die von Tom Bouden durchaus auch beabsichtigt ist, hat das Buch auf mich allerdings nicht. Aber das mag ja bei einem anderen Betrachter anders sein.
Kaufen würde ich mir das Buch eher nicht, es ist aber ein denkbar gut geeignetes kleines Mitbringsel, wenn man irgendwo eingeladen ist. Und wenn der zu Beschenkende jemand ist, mit dem man gern auch einmal im Bett landen würde - deutlicher als mit diesem Buch als Geschenk kann man mit dem Zaunpfahl ja gar nicht winken.
Tom Bouden, In Bed with David and Jonathan, Bruno Gmünder Verlag
© Jörg Bressau