Das Jahr 2017 steht im Jahr der Menschen. Dank der Bundestagswahl werden Parteien und Politiker aktiv und versuchen Dinge, die auf die lange Bank geschoben wurden, abzuarbeiten.
Eine solche aufgeschobene Sache ist die Entschädigung der homosexuellen Männer, die in der Bundesrepublik wegen des so genannten Schwulenparagraphen 175 verurteilt wurden und denen ihr Leben damit ruiniert wurde.
Aber werfen wir erstmal ein Blick auf das Leid, welches schwule Männer über Jahrzehnte erfahren mussten. Im Jahr 1872 wurde der Unzuchtsparagraph eingeführt. Liebe oder Sex unter Männern wurde damit unter Strafe gestellt und mit Zuchthaus geahndet.
Jetzt hatte man ein Mittel in der Hand, um Homosexuelle zu verfolgen und zu inhaftieren. Verschlimmert wurde die Gesetzgebung mit den Nazis, die den 175er verschärften und Homosexuelle in Konzentrationslager verschleppten. Sie lebten dort in eigenen Bereichen und mussten den Rosa Winkel tragen, ein Erkennungszeichen.
Mit Beendigung der Naziherrschaft kamen viele Opfergruppen frei, wurden über die Jahre entschädigt, jedoch nicht die Homosexuellen.
Schlimmer noch, sie wurden oft wieder ins Zuchthaus gesteckt und mussten dort ihre Strafen weiter absitzen. In der Bundesrepublik Deutschland herrschte die verschärfte Fassung des 175er der Nazis weiterhin bis 1968. Homosexuelle mussten aus Angst entdeckt zu werden, im geheimen leben, ihre sexuelle Orientierung verstecken und durften nicht erkannt werden.
Razzien waren an einigen Orten an der Tagesordnung. Klappen wurden überwacht, man wollte Homosexuelle auf frischer Tat ertappen und sie dann ins Zuchthaus bringen. Helmut Schmidt (SPD), damaliger Innensenator von Hamburg, säuberte Hamburg systematisch von Homosexuellen und ließ bekannte Treffpunkte bespitzeln.
Kommen wir in die Gegenwart zurück und betrachten, wie die Bundesregierung die noch ca. 5000 Opfer entschädigen möchte. Jeder soll 3000 € bekommen und für jedes angefangene Jahr kommen 1500 € dazu.
Halten wir uns einmal eine solche Zahl vor Augen und stellen uns vor, was ein Mensch damals erlebt hat. Geben wir diesem Opfer einen Namen, nennen wir ihn zum Beispiel Fritz.
Fritz kam vom Land, war schwul und träumte davon Gleichgesinnte zu treffen, er zog deshalb Anfang der 1960ziger Jahre nach Hamburg. In Hamburg bekam er einen Job im Öffentlichen Dienst und verdiente deshalb ganz gut. Eigentlich alles gut, wenn Fritz nicht auf Männer stehen würde.
Als Fritz eines Abends auf eine Hamburger Klappe einen Typen ansprach, entpuppte der sich als Spitzel. Fritz bekam ein Urteil und musste für 2 Jahre ins Gefängnis.
Als Fritz nach 2 Jahren wieder auf freien Fuß war, hatte er keinen Job mehr, er konnte seine Laufbahn im Öffentlichen Dienst an den Nagel hängen. Selbst in anderen Berufen war es schwierig, er war vorbestraft. Seine Perspektive, sein Leben waren ruiniert. Auch konnte er sich keine so schöne Wohnung mehr leisten wie vor der Verurteilung.
Im Zuchthaus waren Homosexuelle die Untersten in der Hierarchie, wurden verfolgt, wurden weiter zu Opfern. Durch seine Erfahrung im Zuchthaus lebte Fritz ein Leben in Angst vor Verfolgung, traute sich nicht eine Beziehung einzugehen, vereinsamte.
Wenn man sich jetzt das Leben von Fritz anschaut und wenn man die aktuellen Zahlen der Widergutmachung betrachtet, so würden ihm 6000 € als Entschädigung zustehen.
6000 € für ein ruiniertes, perspektivloses Leben voller Leid, Angst, Entbehrungen und Einsamkeit.
Jede Partei die einer solchen Regelung der Widergutmachung zustimmt, denkt nicht an die Opfer, denkt nicht an das Leid das diese erfahren mussten, die Verfolgung. Jede Partei die einer solchen Regelung zustimmt möchte das Thema vom Tisch haben.
Ich nenne das nicht Widergutmachung!
Ich nenne das ein Armutszeugnis für die Bundesrepublik!
Aber wir, die Community sollten uns jetzt selbst betrachten, sollten in den Spiegel schauen und reflektieren. Entspricht diese Opferregelung in der zugestandenen Höhe dem was Fritz eigentlich zustehen müsste? Zehntausende schwuler Männer kommen nicht mehr in den Genuss einer Entschädigung, sie sind bereits gestorben, entweder durch das Alter oder durch Selbstmord.
Beenden möchte ich meinen Beitrag mit dem Motto eines CSDs in Berlin.
DANKE FÜR NIX
Betty Bond